Die Ur- und Frühgeschichte von Ruest

 (B. Keuthe)

 Auf den ersten Blick scheint die große Ruester Feldmark arm an archäologischen Fundplätzen zu sein. Bisher waren nur drei solcher Plätze in den Akten des Bodendenkmalamtes in Schwerin nachgewiesen. Dafür gibt es Gründe:

Zum einen wurden wenig archäologische Untersuchungen durchgeführt, weil in der näheren Umgebung kein Bodendenkmalpfleger wohnt, der sich mit der Vorgeschichte beschäftigen könnte, von Parchim die Anfahrt sehr weit ist, die Gegend durch die geringe Anzahl erhaltener Bodendenkmale für eine allgemeine Erforschung seitens des Bodendenkmalamtes zu uninteressant ist und der schwere lehmige Boden das Auffinden von Spuren der Vergangenheit beeinträchtigt.

Die letzten zielgerichteten Flurbegehungen zeigen jedoch, daß die Feldmark seit der Jungsteinzeit (3500-1800 v.u Z.), wenn vielleicht auch nicht durchgängig, so doch über viele Jahrhunderte, besiedelt war. Eine Besonderheit besteht darin, daß äußerst wenig fließende Gewässer, an denen sich unsere Ahnen mit Vorliebe niederließen, vorhanden sind. Trotzdem boten die zahlreichen Sölle, Teiche und Seen ausreichendes und qualitätsvolles Wasser, denn an vielen von ihnen finden sich Siedlungsreste. Der Grundwasserspiegel dürfte den Beobachtungen nach bis in die frühdeutsche Epoche hinein (1200-1400 u.Z.) um mindestens einen Meter höher gelegen haben als heute.

Die ersten menschlichen Spuren stammen aus der Jungsteinzeit. Es sind Feuersteinabschläge und -klingen, die in den Wiesen am Ruester Krug gefunden wurden. Von einem Ruester Ausbau stammt ein Feuersteinbeil, ebenfalls aus jener Zeit. Die Bronzezeit (1800-500 v.u.Z.) ist bisher recht schwach vertreten. Typische Flurnamen und ehemalige Hügelgräber weisen darauf hin, daß auch in jener Zeit Menschen auf der Feldmark lebten. Der Silberberg am Ruester Krug könnte eine Grabanlage aus der älteren Bronzezeit gewesen sein. Das Hügelgrab wurde erst in unserem Jahrhundert abgetragen. Die dazugehörigen Siedlungsplätze sind noch nicht entdeckt. Aus der römischen Kaiserzeit (500 v.u.Z. bis 500 u.Z.) sind zwei Plätze bekannt geworden. Der eine liegt an der Ostseite des Torfmoores in der Nahe des Kadower Blocksberges, der zweite am Küselborn bei der Ruester Schnaterei. Der Steinbrink am Küselborn könnte dem Namen nach der "Friedhof" dieser germanischen Siedlung gewesen sein, also ein Urnenfeld, aber der schwere Boden gab sein Geheimnis bisher nicht preis. Die Germanen verließen spätestens im Züge der Völkerwanderung das Gebiet. Erst 100 Jahre danach begann die allmähliche Besiedlung durch Slawen. Auch hier fehlen noch entsprechende Fundplätze. Jüngere slawische Siedlungsstellen (ab 1000 u.Z.) konnten jedoch bereits mehrmals nachgewiesen werden:

  1. Südlich von Ruest, zwischen dem Weg nach Kadow und dem Brandmoor auf

einer Anhöhe, Flurname “ In dem Brinck"

  1. Östlich der Kirche, nördlich vom Brandmoor, vor dem “Primer"
  2. Südöstlich vom Ruester Krug, Flurname"Glockenmoor"

Zu rechnen ist mit mindestens einem weiteren slawischen Fundplatz in der Nähe des Büthberges oder südlich davon.

In der Mitte des 13. Jahrhunderts begann die Einwanderung deutscher Bauern. Milch und Honig sollten im ehemaligen slawischen Land fließen und die ersten Jahre waren abgabenfrei. Das bewog viele Bauern in Holstein, Westfalen und anderen Gebieten jenseits der Elbe, ihre alte Heimat aufzugeben und ihr Glück neu zu versuchen. In Ruest dürften noch Reste der slawischen Urbevölkerung gelebt haben, denn es erhielten sich einige ihrer Flurnamen, die nur mündlich weitergegeben werden konnten. Am slawischen Siedlungsplatz östlich der Kirche findet man auch frühdeutsche Keramik aus dem 13.-14. Jahrhundert. Die Slawen werden diese, in der Farbe graublaue Töpferware schon länger gekannt und benutzt haben, denn Kontakte dazu hatten sie nicht erst mit dem Zuzug der deutschen Bauern. Im Brandmoor, dicht neben dem slawischen Dorfplatz, liegt etwas erhöht die Rug Horst. Das ist ein sogenannter Turmhügel aus der Anfangszeit der deutschen Ostkolonisation. Hier hatte ein Ritter seine Befestigung gebaut. Mit dem gegenüberliegenden Ufer und dem dort befindlichen Dorf war sie durch eine Brücke verbunden, deren Reste in Form einiger Pfahlstümpfe vor wenigen Jahrzehnten noch vorhanden waren. Vermutlich war es der Stammsitz derer von Ruyst (1346 Bernhard Ruyst, 1391/92 Henneke Dolghe to Rust, ein Straßenräuber). Die deutschen Bauern errichteten ihr Dorf aber etwas abseits, an heutiger Stelle. Das alte wurde von seiner Bevölkerung aufgegeben.

Ein weiterer slawisch/frühdeutscher Siedlungsplatz liegt am Glockenmoor. In seiner Nähe pflügte man am 15. Oktober 1849 ein zinnernes Gefäß mit Silbermünzen aus. Diese Siedlung erlitt das gleiche Schicksal wie die bei Ruest, nur mit dem Unterschied, daß keine Nachfolgesiedlung entstand.

Noch eine frühdeutsche Siedlung und Befestigung befindet sich auf der Feldmark. Im äußersten südlichen Zipfel erhebt sich der Bollwerk (Hufe Hans Möller). Es ist ein sagenträchtiges Stück Land, auf dem in der Vergangenheit wiederholt Funde aufgelesen wurden (Ketten, Scherben etc.). Auch die Stelle eines alten Brunnens ist bekannt. Im 19. Jahrhundert hielt man diesen Platz für einen slawischen Burgwall. Inzwischen ist eindeutig erwiesen, daß es sich hierbei um einen frühdeutschen Turrnhügel mit beiliegender Siedlung handelt, die den Namen "Neuhof" (Nygenhof) trug. Es ist jener Hof, der in der Urkunde von 1354, als die Region um Mestlin vorn mecklenburgischen Fürsten Nikolaus von Werle an Dankward von Gustävel als Lehen vergeben wurde, genannt wird. Slawische Scherben fanden sich bisher nicht. Jedoch verfügen zwei Anhöhen, dem Burgberg gegenüber auf der anderen Seite des Floßgrabens, über typische Flurnamen: Der kleine und der große Rugberg, schon auf Mestliner Seite. Hier sind am ehesten slawische Siedlungsplätze zu vermuten.