Das Glockenmoor und die Lage des Dorfes Nepersmühlen

(Erstmalig veröffentlicht in den Jahrbüchern des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Bd. 15, 1850)

(Gottlieb Matthias Carl Masch, Pastor zu Demen:
Der Münzfund von Rüst und die Wittenpfennige des 14. Jahrhunderts
In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Band 15 (1850), S. 335-353)

Der Ruester Münzfund hat Veranlassung zu interessanten Nachforschungen anderer Art durch der Herrn Klosterhauptmann Baron Le Fort zu Dobbertin gegeben, welche wir im Nachfolgenden mitteilen.

Unweit der Stelle auf der jetzigen Ruester Feldmark, wo jetzt die goldberg-stemberger und schwerin-wahrensche Landstraße sich kreuzen und die von Crivitz herkommende einfällt und wo bei Regulierung der rüst-mestliner Bauernschaften im J. 1833 daß Erbkruggehöft hingebauet ist, befindet sich eine moorige Wiese, das "Glockenmoor" genannt, welches auch auf der großen Schmettauischen Charte westlich von Ruest steht.

Auf dem von Süd nach Südwest dahin abfallenden Felde, und zwar auf dem für die kleineren Leute in Ruest reservierten Acker soll in frühem Jahrhunderten ein Dorf gestanden haben, und zeigt der Boden noch jetzt beim Ackem Grus und Bruchstücke von Mauerstein; ja alte Leute besinnen sich, dort noch Reste von Steinmauern und Steindämmen gesehen haben. So viel ist gewiß, daß noch jetzt dieser Teil des Feldes "de Dörp-Städ" (die Dorfstätte) heißt und nicht weit davon "de Wuhrs" (die Worthen, den Gehöften zunächst liegende Äcker) liegen.

Auf dieser alten Dorfstelle, nur einige Ruhten vom Rande des Glockenmoores entfernt, auf einer fast unmerklichen Erhöhung sind die Münzen ausgepflügt. Es ist die Frage, welches Dorf auf dieser Dorfstelle gestanden habe. Die ältesten Einwohner des Dorfes Rüst wissen darüber nichts, meinen jedoch, es möchte wohl in älteren Zeiten dort das Dorf Rüst gestanden haben, welches später an seine jetzige Stelle versetzt worden sei. Darin stimmen aber die Erzählungen der Einwohner überein, daß das untergegangene Dorf ein Kirche mit Glocken gehabt habe, welche noch in dem "Glockemoor" versunken liegen und zu der unten mitgetheilten Sage Veranlassung gegeben haben sollen. Das untergegangene Dorf kann aber Ruest nicht gewesen sein; denn Rüst hat eine eigene, sehr alte Kirche aus der Zeit des Uebergangsstyles mit hoch in der Feldsteinwand angebrachten, mit einem fast unmerklichen Spitzbogen gewölbten Fenstern. Das jetzige Dorf Rüst ist also ein sehr altes Dorf und das untergegangene Dorf muß selbständig neben Rüst gestanden haben. Freilich ist es auffallend, daß zwei Kirchendörfer nur etwa 450 Ruhten weit von einander lagen.

Das untergegangene Dorf war ohne Zweifel Nepersmühlen. Das Dorf Nepersmühlen oder in alter Zeit Newopersmühlen, ohne Zweifel von einem wendischen Edlen Newoper so genannt, war im J. 1280 dem Kloster Sonnenkamp oder Neukloster von dessen Propste Johann geschenkt, der das Dorf mit Mühle (und Krug) kurz vorher aus eigenen Mitteln gekauft hatte. Am 18. Julii 1306 verlieh der Fürst Heinrich von Mecklenburg diesem Kloster den ganzen See von Nepersmühlen und das Patronatrecht der Kirche im Dorfe und des Filials Dabel. Durch die Säkularisierung kam das Dorf an die Herzöge von Mecklenburg, welche es im J. 1583 gegen Matersen an das Kloster Dobbertin vertauschten.

Ungefähr 1000 Ruhten von der alten "Dorfstätte" liegt der Nepersmühlensche See, jetzt auch Kl. Pritzer See genannt. Dazwischen liegt jetzt Rüster, Hohen Pritz und Kl. Pritzer Feld. In diesen drei Feldmarken wird also die Feldmark Nepersmühlen untergegangen sein, jedoch ist es nicht klar, wie und warm. Jagd und Fischerei auf dem See hat das Kloster erst im J. 1805 an Kl. Pritz abgetreten. Auf der Dorfstätte beim Glockenmoor lag also ohne Zweifel das Kirchdorf Nepersmühlen, von welchem noch auf der großen Schmettauischen Charte die Neper- oder Nepersmühler Mühle lag.

In der Gegend von Rüst lagen früher noch zwei wüste Feldmarken: Possehlsdorf, jetzt Sehlsdorf, und Kölpinsdorf oder Kölpin, welches wohl in dem jetzigen Sehlsdorfer Forstreviere zwischen Mühlenhof, Augzin, Techentin, Hagen und Sehlsdorf lag. Im J. 1446 verkauften die Brüder Deneke, Heinrich und Wedege Weltzin dem Kloster Dobbertin 8 Hufen in Kölpinstorf; im J. 1535 wird das Dorf schon als wüst bezeichnet. Von diesen beiden Dörfern kann auf der "Dorfstätte" keines gelegen haben.

Die Glocken der Kirche (zu Nepersmühlen) sollen nach der Sage in dem Glockenmoor versunken sein, welches davon seinen Namen führen soll. Es lebt über diese Glocken bei den Bewohnern des Dorfes noch manche Sage, welche im folgenden der Herr Klosterhauptrnann Le Fort aus dem Munde der Leute gehört und niedergeschrieben hat.

Der Erbkrüger Rieck unter andern ist stets der Überzeugung, daß die Glocken noch in dem Moor liegen und herauszuholen wären, und zeigt genau die Stelle, wo sie liegen. Eine alte Bauernwitwe Nehls, auch "Schnack-Nehlsch" oder "Trin Nehls" genannt erzählt Folgendes:

Von ihrem Großvater habe sie gehört, das dessen Vater, als er noch ein kleiner Knabe gewesen sei, mit den anderen Dorfkindern gegen Abend die Gänse beim Glockenmoor gehütet und zu Wasser getrieben habe. Wäre es dann helles und stilles Wasser gewesen, so wären die Glocken wohl über dem Wasser sichtbar geworden. Die Knaben habe es dann erfreut, mit ihren Peitschen an die Glocken zu schlagen und diese zum Klingen zu bringen. Hätten sie nun so oft daran geschlagen, als der Küster des Abends die Betglocke stößt, so habe eine Stimme ihnen zugerufen: “Nu is't nog!" (Nun ist es genug). Wäre dann einer von ihnen so unvorsichtig gewesen, die Glocke zu berühren:" plumps wihren se werrer weg" (Plumps, waren sie wieder weg.) - Sie selbst, die alte Nehlsche, will die Glocken ein Mal läuten gehört haben. Der selige Erbkrüger Jahnke war eines Tages bei ihr zum Besuche. Während des Gespräches fragte er plötzlich: “Trin Nehlssche, hührst Du uns' Klocken nich?"-"0 wat”, antwortete sie, "de Küster Köster is just up sinen Acker gahn; dat mägen wol de Mestliner oder de Hohen-Pritzer Klocken west sihn.”-“Ne", sagte er, "dat sünd uns' Muhr-Klocken" (das sind die Moor-Glocken), "de mehn ick"-"Un, wiß un wahrhaftig, Herr Klosterhauptmann", fügte Trin Nehlssche hinzu, "as ich recht to hührt, don klüng' dat ganze Muhr."

 (Die Auffassung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts über die Lage der Nepermühle und des dazugehörigen Dorfes hat sich nicht bestätigt. Nach wie vor bleibt der Name des wüsten Dorfes am Glockenmoor unbekannt.    B. Keuthe)