Sagen von Dorf und Feld Ruest

(gesammelt von B. Keuthe)

 Die Hexen von Ruest

Einstmals zog sich von Ruest ein malerischer Feldweg über die hügeligen Äcker nach Mestlin hin. Jetzt ist er schon lange umgepflügt, aber die Erzählungen der Alten von einer Spukstelle am Weg sind bei einigen noch im Gedächtnis. Etwa auf halber Strecke, da wo die Grenze zu Mestlin entlangging, floß ein kleiner Bach, der Teufelsgraben. Unweit davon lag die Hexenkuhle.

Und auf der gegenüberliegenden Seite, nach Kadow hin erhob sich der Blocksberg. Hier war es, wo sich die Hexen in der Walpurgisnacht mit dem Teufel trafen und ihre Orgien feierten. Doch da es die Hexen ein ganzes Jahr ohne Unheil zu stiften nicht aushielten, konnte man sie auch um Mitternacht am Graben antreffen. So mancher, der den Weg des Nachts entlangzog, wurde hier in den Graben gezogen und kam erst des Morgens frei.

 Der Silberberg am Ruester Krug

Abergläubische Vorstellungen hielten sich besonders in ländlichen Gegenden lange. Die Menschen sahen in ihnen ein Mittel, um den Naturgewalten zu trotzen. War es doch mitunter die einzigste Hilfe.

Die Landschaft am Ruester Krug kennzeichnen weite Felder. Die hohe Lage und der wasserreiche Boden gefährden die Bevölkerung bei Unwettern und häufig trug die Siedlung durch Blitzschlag Schaden davon. Da, wo jetzt die ausgedienten Viehställe stehen, befand sich früher ein Hügel. Es kann ein Hügelgrab gewesen sein, denn am Weg, der nach Ruest führt, ist auf alten Karten ein "Silberberg" eingezeichnet. Vielerorts werden so noch erhaltene Hügelgräber benannt, warum sollte es hier anders sein. Bis in unser Jahrhundert hinein stand der Hügel. Weil der Boden, auf dem er sich erhob, guter Mergel war, den man zum Düngen für die Felder brauchte, legte die Bauern im Ort in seiner Nähe eine Mergelgrube an, die sich dem Grab allmählich näherte. Eines Tages ragte es wie eine Insel aus der Grube heraus, das war noch, als der alte Köpcke lebte. Er hatte eine besondere Beziehung zu diesem Ort, worauf im weiteren eingegangen werden soll.

Für manche im Dorf war der Fleck ein heiliger Ort. Denn so manches Gewitter entlud seine Energie mit gewaltigen Blitzen ausgerechnet in diesen Hügel, der so den Schaden von den umliegenden Häusern abwendete. Darum errichtete man auf dem Hügel ein Kreuz und kam hierher zum Beten, vor allem, wenn schlechtes Wetter drohte.

Auch Großvater Köpcke tat dies, denn sein Hof lag genau gegenüber auf der anderen Straßenseite. Er hatte so viel Ehrfurcht vor diesem wie ein Blitzableiter dienenden Grab, daß er, bevor er sich auf den Weg zu einer Besorgung machte, das Grab umrandete und erst dann die gewünschte Richtung einschlug. Den in der Umgebung wohnenden Leuten blieb das nicht verborgen und bald erzählte man sich in Unkenntnis der Zusammenhänge vom seltsamen Verhalten des Mannes. Er solle nicht den Weg nach Ruest gehen können, ohne von einer unsichtbaren Kraft ins Gesicht geschlagen zu werden. Seitdem würde er nicht mehr die Straße benutzen, sondern an der bewußten Stelle vom Weg abweichen und lieber auf dem Acker entlanggehen.

Der Leser weiß, wie es sich wirklich verhielt. Das Hügelgrab fiel irgendwann in unseren Tagen der Schaufel zum Opfer. Nun toben die Unwetter wieder und richten so manchen Schaden an.

Der Reiter vom Ruester Bollwerk

Im südlichsten Zipfel der langgestreckten Ruester Feldmark erhebt sich inmitten der Wiesen eine Anhöhe, Bollwerk genannt. Alle Wiesen um diese Erhebung herum standen in grauer Vorzeit unter Wasser und bildeten einen flachen See. Dessen Ufer reichten bis Mestlin und Lenschow. Obwohl er sehr flach war, konnte er wegen seines morastigen Untergrundes weder zu Fuß noch zu Pferde passiert werden. Erst als der Floßgraben gezogen wurde und sich der See entwässerte, nahm die Gegend die heutige Gestalt an. Von dem Bollwerk jedoch erzählten sich die Ruester manche gruselige Geschichte.

Vor langen Zeiten standen auf dem Bollwerk Burg und Dorf. Auf der Burg lebte ein gütiger Ritter, der wegen seiner Taten im weiten Umkreis hohes Ansehen genoß. Auch die Goldberger achteten ihn sehr und ernannten ihn zu ihren Ratsherren. Lange lebten die Einwohner glücklich und zufrieden. Eines Tages wurde dem Ritter ein Sohn geboren. Der schlug aber ganz aus der Art. Als der Vater gestorben war und er Herr über die Burg wurde, flohen seine Einwohner vor dem grausamen und hartherzigen Sohn. Da begann er in den umliegenden Dörfern zu rauben und zu plündern. Manchmal fuhr er mit dem Kahn zum Lenschower Ufer. Dort hauste ein anderer Raubritter. Beide machten oft gemeinsame Sache. Sie überfielen an der nahe vorbeiführenden Handelsstraße Parchimer und Lübzer Kaufleute, raubten sie aus und töteten sie. Bald hatte der Raubritter einen großen Schatz zusammengestohlen. Glücklich wurde er damit jedoch nicht. Eines Tages nahm man ihn gefangen und verurteilte ihn zum Tode. Seine Burg wurde zerstört und dem Erdboden gleichgemacht. Der böse Ritter jedoch fand nach seinem Tode keine Ruhe. Wenn es Mitternacht schlägt, steigt er aus seinem Grab, schwingt sich auf sein Pferd und reitet, seinen Kopf unter dem Arm tragend, zum Bollwerk.